FINTECH-Förderung in der Schweiz I – Vorschläge Bundesrat

Grundlage für alle Bestrebungen zur FINTECH-Förderung bildet die allgemein anerkannte Prämisse, dass die Digitalisierung im Finanzbereich wesentlich zur Qualität des Schweizer Finanzplatzes beitragen und dessen Wettbewerbsfähigkeit stärken kann.

Vorschläge Bundesrat

Auch der Bundesrat liess sich an seiner Sitzung vom 2. November 2016 von dieser Prämisse leiten und sprach sich für Erleichterungen bei den regulatorischen Rahmenbedingungen für Anbieter von innovativen Finanztechnologien aus. Die Erleichterungen sollen einerseits Markteintrittshürden für (neue) Anbieter im FINTECH-Bereich reduzieren, andererseits aber auch die Rechtssicherheit für die gesamte Branche erhöhen. Konkret schlägt der Bundesrat im Bereich der Finanzmarktregulierung die nachfolgend kurz beschriebenen drei Massnahmen vor.

A. Verlängerung der Frist zum Halten von Geldern auf Abwicklungskonti von bisher sieben auf 60 Tage. Nach Ablauf dieser Frist soll die Entgegennahme von Geldern als gewerbsmässig gelten, was grundsätzlich eine Bank- oder die neue FINTECH-Lizenz (vgl. Punkt C) voraussetzt.

Diese Massnahme knüpft an die heute geltende Ausnahmebestimmung in Art. 5 Abs. 3 BankV an, wonach Habensaldi auf Kundenkonti von Effekten- oder Edelmetallhändlern, Vermögensverwaltern oder ähnlichen Unternehmen, die einzig der Abwicklung von Kundengeschäften dienen, nicht als Publikumseinlage gelten, wenn dafür kein Zins bezahlt wird. Die Frist, welche für die „Abwicklung von Kundengeschäften“ in diesem Sinn zur Verfügung stand, betrug bisher gemäss Praxis der FINMA sieben Tage.

Der Bundesrat schlägt die Verlängerung dieser Frist auf 60 Tage vor allem mit Blick auf Crowdfunding-Dienstleistungen vor, weil die Mittelbeschaffung über solche Plattformen in der Regel länger als sieben Tage dauere. Aus Sicht von Crowdfunding-Plattformen dürfte allerdings auch eine auf 60 Tage verlängerte Frist eher knapp bemessen sein, stehen doch die meisten Crowdfunding-Projekte während 3 Monaten für die Mittelbeschaffung auf einer solchen Plattform.

Interessant könnte die vorgeschlagene Fristverlängerung aber auch für Dienstleister innerhalb von digitalen Zahlungssystemen sein. So könnte beispielsweise ein (Staged-)Wallet-Betreiber (digitales Portemonnaie, in welchem Zahlungsinstrumente wie beispielsweise eine Kreditkarte hinterlegt werden; z.B. PayPal in klassischer Ausprägung), welcher die Transaktionsbeträge von Zahlern entgegennimmt und an die Zahlungsempfänger weiterleitet, von der Verlängerung der Abwicklungsfrist profitieren. Darüber hinaus ist die Fristverlängerung vor allem für Marketplaces zentral, welchen sie eine höhere Flexibilität im Auszahlungshandling erlaubt.

Durch eine Verlängerung der Frist wird auch der „Schwebezustand“ verlängert, in welchem die Vermögenswerte nicht mehr beim Zahler, aber auch noch nicht beim effektiven Zahlungsempfänger vorhanden sind, sondern bei einer dritten Person liegen. Damit wird das Risiko erhöht, dass die Vermögenswerte in diesem Schwebezustand „verloren“ gehen. Weil eine betragsmässige Obergrenze nicht vorgesehen ist, können auf diese Weise sehr hohe Vermögenswerte während 60 Tagen bei Drittpersonen „parkiert“ werden, was wiederum Fragen zur Anwendbarkeit der Geldwäschereivorschriften im Bereich der Führung von Abwicklungskonti aufwirft.

B. Schaffung eines bewilligungsfreien Raums („Sandbox“ oder „Innovationsraum“), in welchem unbeschränkt viele (statt wie bisher 20) Publikumseinlagen entgegengenommen werden können, allerdings „nur“ bis zu einem Gesamtwert von CHF 1 Mio. Liegt der Wert der Publikumseinlagen darüber, ist wiederum eine Bank- oder die neue FINTECH-Lizenz (vgl. Punkt C) nötig.

Durch die Schaffung eines bewilligungsfreien Raums will der Bundesrat das Testen von neuen Geschäftsideen mit mehr als 20 Kunden ermöglichen. Die relativ tiefe Grenze von CHF 1 Mio. soll dabei verhindern, dass die Effizienzgewinne neuer Geschäftsmodelle lediglich in der Vermeidung von Aufwand zur Einhaltung der Regulierung bestehen. Das gleichzeitig entstehende Risiko für Personen, welche die Einlagen leisten, soll dadurch kompensiert werden, dass Anbieter ihre Kunden informieren müssen, dass ihr Unternehmen nicht von der FINMA beaufsichtigt wird.

Die Aufhebung der 20-er Regel hat einen weiteren Aspekt: So würde es Personen und Unternehmen ermöglicht, Projekte über Crowdfunding-Plattformen finanzieren lassen, ohne aufgrund der Überschreitung der heute geltenden 20-er Regel zur Bank zu werden, soweit diese Finanzierung als eine Art Darlehen ausgestaltet ist. Diese Hürde würde fallen.

Allerdings soll der bewilligungsfreie Raum nicht als gänzlich „regulierungsfreier“ Raum eingeführt werden: der Bundesrat schlägt vor, dass auch innerhalb einer solchen „Sandbox“ die Geldwäschereibestimmungen einzuhalten sein werden. Was aus Sicht der Geldwäschereiprävention durchaus Sinn macht, stellt für junge Unternehmen eine bedeutende Hürde dar, die bestehen bliebe.

Ebenfalls ist zu bedenken, dass der Schwellenwert von CHF 1 Mio. gegenüber heute auch einschränkend wirkt. Während unter dem heutigen Regime ein unbeschränkt hoher Betrag von bis zu 20 Personen aufgenommen werden kann, würden in Zukunft Mittelaufnahmen auf CHF 1 Mio. beschränkt.

C. Schaffung einer neuen FINTECH-Lizenz für Nichtbanken, die nur das Passivgeschäft bis und mit Publikumseinlagen von CHF 100 Mio. betreiben und gewisse Voraussetzungen betreffend Aktienkapital etc. erfüllen, wobei die Gelder nicht verzinst und nicht angelegt werden dürfen.

Der Bundesrat geht davon aus, dass viele FINTECH-Geschäftsmodelle eine Banklizenz voraussetzen, obwohl sie nicht das gesamte Dienstleistungsspektrum einer Bank, sondern lediglich gewisse Elemente davon anbieten und entsprechend auch über ein tieferes Risikoprofil verfügen würden. Als eigentliche Kerntätigkeit einer Bank und als solche den Banken (auch weiterhin) vorbehalten, qualifiziert der Bundesrat das Aktivgeschäft (Kreditvergabe) mit Fristentransformation. Für Unternehmen, welche sich dagegen lediglich auf das Passivgeschäft (Entgegennahme von Publikumseinlagen) beschränken, soll eine neue Bewilligungskategorie, eine FINTECH-Lizenz, eingeführt werden.

Die von einem Unternehmen mit FINTECH-Lizenz entgegengenommenen Publikumseinlagen dürfen nicht mehr als CHF 100 Mio. betragen, wobei die FINMA in konkreten Fällen einen höheren Wert zulassen darf, wenn der Schutz der Kunden durch besondere Massnahmen gewährleistet ist (FINTECH-Lizenz Plus). Die Einlagen müssen auf einem oder mehreren Konti lautend auf das Unternehmen mit FINTECH-Lizenz gehalten und dürfen nicht angelegt oder verzinst werden. Das Mindestkapital beträgt 5% der Einlagen, mindestens jedoch CHF 300‘000.

STE/9.11.2016