FinTech-Regulierung – Eine Übersicht

Dieser Beitrag enthält eine Übersicht über aktuelle Gesetzgebungsaktivitäten sowie Strategie- und Projektarbeiten verschiedener Behörden in der Schweiz und Europa im Bereich der FinTech-Regulierung. Kommentare, Ergänzungen und Hinweise sind sehr willkommen.

Schweiz

Der Bundesrat sprach sich im November 2016 für Erleichterungen bei den regulatorischen Rahmenbedingungen für Anbieter von innovativen Finanztechnologien aus. Die Erleichterungen sollen einerseits Markteintrittshürden für (neue) Anbieter im FinTech-Bereich reduzieren, andererseits aber auch die Rechtssicherheit für die gesamte Branche erhöhen. Konkret schlug der Bundesrat im Bereich der Finanzmarktregulierung die folgenden drei Massnahmen vor: (1) die Verlängerung der Frist zum Halten von Geldern auf Abwicklungskonti auf 60 Tage, (2) die Schaffung eines bewilligungsfreien Raums («Sandbox» oder «Innovationsraum»), in welchem unbeschränkt viele (statt wie bisher 20) Publikumseinlagen bis zu einem Gesamtwert von CHF 1 Mio. entgegengenommen werden können, und schliesslich (3) die Schaffung einer neuen FinTech-Lizenz für Nichtbanken, die nur das Passivgeschäft Publikumseinlagen von bis und mit CHF 100 Mio. betreiben (vgl. dazu auch Blog-Beitrag vom 9. November 2016: FinTech-Förderung in der Schweiz I). Per 1. August 2017 wurden die ersten beiden Säulen dieser FinTech-Vorlage bereits in Kraft gesetzt (vgl. Blog-Beitrag vom 6. Juli 2017: Erster Teil der FinTech-Vorlage per 1.8.2017 in Kraft). Die dritte Säule, betreffend die FinTech-Lizenz, bedingt eine Änderung des Bankengesetzes und soll vom Nationalrat frühestens in der Herbstsession (als Zweitrat) beraten werden.

Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) sieht im Rahmen der Finanzpolitik für einen wettbewerbsfähigen Finanzplatz Schweiz die folgenden drei Massnahmen vor: Intensivierung des regelmässigen Dialogs mit der Branche, Vorschläge für Rechtsanpassungen (vgl. oben beschriebene FinTech-Vorlage) und Befürwortung von Initiativen der Branche zur Weiterentwicklung der Kompetenz und Innovationsfähigkeit des Finanzplatzes.

Am 11. Januar 2017 verabschiedete der Bundesrat den «Bericht über die zentralen Rahmenbedingungen für die digitale Wirtschaft», welcher unter der Federführung des Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) erarbeitet wurde. Der Bericht nimmt im Rahmen der Strategie «Digitale Schweiz» eine umfassende Standortbestimmung folgender wirtschaftspolitisch wichtiger Themenfelder vor: Arbeitsmarkt, Forschung und Entwicklung, Sharing-Economy, Digital Finance und Wettbewerbspolitik. Zwischen Februar und Juni 2017 führte das SECO eine Umfrage bei Verbänden, Sozialpartnern und Unternehmen zur digitalen Tauglichkeit bestehender wirtschaftspolitisch relevanter Gesetze durch «digitaler Test». Die Ergebnisse dieses Tests werden im Herbst erwartet.

Erwähnenswert sind an dieser Stelle auch die Anstrengungen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA, welche sich intensiv mit dem Thema FinTech beschäftigt und FinTech-Unternehmen unterstützt, indem sie Informationen zu regulatorischen Fragen auf der Webseite in kompakter Form bereitstellt, den Dialog mit den Marktteilnehmern sucht (z.B. FINMA-Roundtable zu Blockchain am 10. Mai 2017 und Umfrage zur FinTech-Bewilligung zwischen 6. Juli und 4. August 2017) und sich aktiv mit ausländischen Aufsichtsbehörden (z.B. MAS Singapore) austauscht.

Europäische Union (EU)

Bereits seit 2014 beobachtet die Europäische Kommission die Entwicklungen rund um Crowdfunding, um die damit verbundenen Chancen und Risiken sowie die Notwendigkeit einer EU-weiten Regulierung erkennen zu können. Dabei wurde schnell erkannt, dass die Transformation des Finanzsektors branchen- und behördenübergreifend stattfindet und begleitet werden muss. Um die Arbeiten sowohl auf gesetzgeberischer Stufe (z.B. Payment Service Directive, PSD2), aber beispielsweise auch die Vorschläge zur Capital Markets Union (CMU) und im Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Privatkunden berücksichtigen zu können, gründete die Europäische Kommission im November 2016 die interne Task Force für «Financial Technology». Ziel der Task Force ist die Analyse technologischer Entwicklungen und neuer Geschäftsmodelle und die Prüfung, ob bestehende Regulierungen diesen zu genügen vermögen.

Die europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs, bestehend aus: Europäische Bankenaufsicht, EBA; Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, ESMA; Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, EIOPA) publizierten am 4. Dezember 2016 ein gemeinsam erarbeitetes Diskussionspapier «Automation In Financial Advice», mit Fokus auf die Chancen und Risiken automatisierter Finanzberatung für Konsumenten und Finanzinstitute.

Zwischen dem 23. März und 15. Juni 2017 führte die Europäische Kommission eine öffentliche Vernehmlassung zur Rolle von FinTech bei der Bildung eines kompetitiveren und innovativeren Finanzsektors durch. Der Fokus der Vernehmlassung lag auf dem Zugang zu Finanzdienstleistungen für Konsumenten, der Reduktion von operationellen Kosten und Erhöhung der Effizienz im Finanzsektor, der Förderung des Wettbewerbs im EU-Single-Market durch die Senkung der regulatorischen Hürden sowie der Balance zwischen Datenbearbeitung und Transparenz sowie Datensicherheit. Derzeit werden die über 200 Vernehmlassungsantworten ausgewertet. Die Analyse soll die Basis für das weitere Vorgehen der Europäischen Kommission legen.

Ebenfalls am 23. März 2017 veröffentlichte die Europäische Kommission den «Consumer Financial Services Action Plan», und präsentierte damit eine Strategie, um den EU-Single-Market für Finanzdienstleistungen für Privatkunden zu stärken. Ziel ist insbesondere die Nutzung des Potentials der Digitalisierung und der technologischen Entwicklungen, um den Zugang zu Finanzdienstleistungen von Konsumenten in der EU zu verbessern.

Das Europäische Parlament begrüsste diese Initiativen der Kommission in seinem Bericht vom 28. April 2017 zur Finanztechnologie: «Einfluss der Technologie auf die Zukunft des Finanzsektors». Das Parlament fordert die Kommission auf, bei ihrer Arbeit zum Thema Finanztechnologie einen verhältnismässigen, sektorübergreifenden und ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen.

Bereits im Februar 2017 veröffentlichte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) eine Analyse zu den Chancen und Risiken der Anwendung von Distributed Ledger Technologies (DLT) auf die Wertpapiermärkte und das Zusammenspiel mit den geltenden regulatorischen Rahmenbedingungen in der EU. Die ESMA identifizierte dabei kurzfristig und mit Blick auf die Finanzmarktgesetzgebung keine wesentlichen Hindernisse für die Entwicklung von DLT im Finanzsektor, wobei die Anwendung einiger rechtlicher Konzepte bzw. Prinzipien des Finanzmarktrechts, wie beispielsweise die Rechtssicherheit in Zusammenhang mit DLT-Datensätzen und die Endgültigkeit bzw. Rechtswirksamkeit von Abrechnungen, auf DLT noch der Klärung bedürfen. Nur nebenbei sei erwähnt, dass die ESMA mit Blick auf Rechtsgebiete ausserhalb der reinen Finanzmarktgesetzgebung durchaus einige rechtliche Fragestellungen erkannt hat, welche Einfluss auf die Entwicklung von DLT haben könnten. Als Beispiele führt sie gesellschaftsrechtliche, vertragsrechtliche, insolvenzrechtliche und wettbewerbsrechtliche Fragen an.

Auch auf der Stufe der zentralen europäischen Bankenaufsicht (genauer: einheitlicher Bankenaufsichtsmechanismus bzw. «Single Supervisory Mechanism», SSM) ist die Regulierung von FinTech ein Thema, wobei angesichts der zunehmenden nationalen Initiativen, wie «Regulatory Sandboxes» oder «Innovations Hubs» die Sicherstellung einer einheitlichen und konsistenten Regulierung im Vordergrund steht.

Und erst kürzlich, am 4. August 2017, veröffentlichte die Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA) schliesslich ein Diskussionspapier zu ihrem Vorgehen bezüglich Finanztechnologien (FinTech). Darin identifiziert sie sechs Bereiche (z.B. Bewilligung, Risiken, Geschäftsmodelle, Konsumentenschutz, Geldwäscherei), in welchen der Einfluss von FinTech auf das Finanzsystem, die Regulierung und die Überwachung überprüft wird. Stellungnahmen zu diesem Papier können noch bis am 6. November 2017 bei der EBA eingereicht werden. Am 4. Oktober 2017 soll dazu ein öffentliches Hearing stattfinden.

International

Auf internationaler Stufe überwacht und prüft das Financial Stability Board (FSB) im Rahmen seiner Kernaufgabe, die internationale Stabilität der Finanzmärkte zu fördern, aktiv die Entwicklungen im Bereich technologie-basierter Innovationen im Finanzbereich oder FinTech. Am 27. Juni 2017 veröffentlichte es einen entsprechenden Bericht: «Financial Stability Implications From FinTech». Der Report identifiziert zehn Gebiete, welche die Aufmerksamkeit der Aufsichtsbehörden verdienen. Drei davon wurden als prioritär für internationale Zusammenarbeit definiert, nämlich (1) die Bewältigung operationeller Risiken in Zusammenhang mit Third-Party Service Providern, (2) Massnahmen zur Risikominimierung in Zusammenhang mit Cyber Risiken und (3) Überwachung makrofinanzieller Risiken, welche sich mit der Zunahme von FinTech-Aktivitäten entwickeln könnten.

Am 22. Mai 2017 veröffentlichte eine gemeinsame Arbeitsgruppe des Commettee on Global Financial System (CGFS) und des FSB einen Report zu FinTech im Kreditbereich, in welchem Chancen und Risiken von FinTech im Kreditbereich für die Stabilität der Finanzmärkte aufgezeigt werden.

Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) hat eine «Task Force on Financial Technology» gegründet, welche ebenfalls daran arbeitet, die Chancen, Risiken und Herausforderungen für die Aufsichtsbehörden, welche mit den technologischen Entwicklungen und den damit zusammenhängenden neuen Geschäftsmodellen von Finanzdienstleistern einhergehen, zu analysieren. Die Task Force arbeitet mit dem FSB zusammen und soll Verbesserungen bei Managementmethoden und -prinzipien vorantreiben und die Risiken, welche mit FinTech einhergehen können, überwachen.

Zu erwähnen ist schliesslich auch die Arbeit der Financial Action Task Force (FATF), einer internationalen Organisation, welche Standards im Bereich der Geldwäschereiprävention und der Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus setzt. Die FATF hat anfänglich verschiedene Typologien und Richtlinien in Zusammenhang mit innovativen Zahlungssystemen und -services publiziert, welche vor allem auf deren Risiken hinwiesen, wie beispielsweise: «Money laundering using new payment methods» im Oktober 2010, «Guidance for a risk-based approach to prepaid cards, mobile payments and internet-based payment services» im Juni 2013, «Virtual currencies: key definitions and potential AML/CFT risks» im Juni 2014 und «Guidance for a risk-based approach to virtual currencies» im Juni 2015. Jüngst hat die FATF aber auch die Chancen von FinTech und RegTech für den Kampf gegen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung anerkannt und bekannt gegeben, die entsprechenden Innovationen im Finanzbereich, auch im Dialog mit dem privaten Sektor, zu unterstützen. Am 25./26. Mai 2017 fand denn auch das «FATF FinTech and RegTech Forum» statt.

STE/13.08.2017