Am 15. Juni 2018 haben National- und Ständerat das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und das Finanzinstitutsgesetz (FINIG) verabschiedet. Gleichzeitig hat das Parlament Bestimmungen zur Innovationsförderung, bekannter als «Fintech-Lizenz» oder «Banklizenz-light», in das Bankengesetz (BankG) aufgenommen und das Konsumkreditgesetz (KKG) auf die sogenannte «Schwarmkreditvermittlung» (gemeint ist «Crowdlending») ausgedehnt. Seit dem 21. Juni 2018 läuft nun die Vernehmlassung für die entsprechend notwendigen Anpassungen der Bankenverordnung (BankV) und der Verordnung zum Konsumkreditgesetz (VKKG). Die Änderungen des BankG, des KKG und der dazugehörenden Verordnungen sollen zusammen per 1. Januar 2019 in Kraft gesetzt werden.
Rückblende
Im Rahmen der im November 2016 angekündigten FINTECH-Vorlage setzte der Bundesrat bereits per 1. August 2017 eine Änderung der BankV in Kraft, womit einerseits eine «Sandbox» geschaffen wurde, in welcher bis zu einem Gesamtwert von CHF 1 Mio. unbeschränkt viele (statt wie bisher 20) Publikumseinlagen entgegengenommen werden können, und andererseits die Frist zum Halten von Geldern auf Abwicklungskonti von bisher sieben auf 60 Tage verlängert wurde.
Zwei Aspekte der Fintech-Gesetzgebung
Deregulierung: «Fintech-Lizenz»
Die nun mit dem neuen Art. 1b E-BankG geschaffene «Fintech-Lizenz» soll den Bewilligungsträgern die gewerbsmässige Entgegennahme von Publikumseinlagen bis zu CHF 100 Mio. ermöglichen, ohne dass sie dafür eine Banklizenz benötigen. Für die entgegengenommenen Einlagen gilt jedoch ein Anlage- und Verzinsungsverbot. Die Bewilligung ist ausserdem an Voraussetzungen betreffend Organisation, Risikomanagement, Compliance, Rechnungslegung und finanzielle Mittel gebunden, welche in der BankV geregelt werden und sich derzeit noch in der Vernehmlassung befinden.
Zwei Knackpunkte entscheiden über die Einsatzmöglichkeiten und damit die Praxisrelevanz der «Fintech-Lizenz»: die Auslegung des Anlage- und Verzinsungsverbots und die Möglichkeit der neuen Bewilligungsträger, ein Konto bei der Schweizer Nationalbank (SNB) zu eröffnen.
Das Anlage- und Verzinsungsverbot besagt, dass die entgegengenommenen Einlagen (bis CHF 100 Mio.) bis zum Zeitpunkt der Weiterleitung oder Rückzahlung weder angelegt noch verzinst werden dürfen. Die Bedeutung dieser Bestimmung war umstritten. Die FINMA legte sie in ihrem Rundschreibens 2008/3: „Publikumseinlagen bei Nichtbanken“ sehr restriktiv aus und verlangte: «dass die von den Kunden einbezahlten Einlagen bis zur Weiterleitung oder Rückzahlung dauernd und liquide zur Verfügung stehen. Die Einlagen dürfen dabei nicht auf den üblichen Geschäftskonti des Unternehmens für den laufenden Betrieb gehalten werden, sondern es ist für das Halten der Einlagen mindestens ein davon getrenntes Bankkonto einzurichten.» (vgl. Rz. 8.2 FINMA-RS 08/3, Blog-Beitrag vom 15.12.2017). Diese restriktive Auslegung wird nun im Erläuterungsbericht zur Revision der BankV übernommen. Dort wird ausgeführt, dass die entgegengenommenen Gelder bis zur bestimmungsgemässen Weiterleitung oder Rückzahlung liquide zur Verfügung stehen müssen, so dass sie innert kürzester Zeit abgezogen werden könnten. Als Beispiel wird die Verwahrung als Sichtguthaben auf einem vom Eigenbestand getrennten Bankkonto ohne restriktive Abzugsbeschränkung genannt (vgl. S. 16 f. des Erläuterungsberichts).
Diese restriktive Auslegung schränkt die Einsatzmöglichkeiten für die neue «Fintech-Lizenz» sehr stark ein. Möglich wären allenfalls Businessmodelle im Bereich der Vermittlung (z.B. Crowdlending) oder im Bereich von Zahlungsdienstleistern (z.B. PrePaid Issuer, Top-Up Wallets).
Der zweite Knackpunkt betrifft die Eröffnung eines Kontos bei der SNB. Es besteht die Gefahr, dass auch die SNB sich auf eine restriktive Auslegung festlegen und Träger einer Fintech-Lizenz ausschliessen wird. Die Anwendungsmöglichkeiten der neu geschaffenen Fintech-Lizenz würden dadurch faktisch noch einmal stark reduziert. Denn ohne SNB-Girokonto gibt es keinen Zugang zum SIC und damit auch keinen Zugang zu SECOM und den übrigen Finanzmarktinfrastrukturen.
Regulierung: Crowdlending unter KKG
Unbeachtet von weiten Kreisen der Branche wurde zusammen mit der «Fintech-Lizenz» – im Sinne einer «flankierenden Massnahme» – das KKG angepasst (vgl. dazu bereits Blog-Beitrag vom 6.7.2017). Neu werden auch Konsumkredite, welche von einer sogenannten «Schwarmkredit-Vermittlerin» (Crowdlending-Unternehmen) vermittelt werden, in den Anwendungsbereich des KKG fallen. Dies hat zur Folge, dass bei der Vergabe von Konsumkrediten über Crowdlending-Plattformen zukünftig wie bei «klassischen» Krediten die Regeln des KKG einzuhalten sind. Insbesondere gilt:
- Form und Inhalt der Konsumkreditverträge bestimmen sind nach Art. 9/10 KKG;
- Die Verträge sind schriftlich (!) abzuschliessen;
- Der Höchstzinssatz beträgt 10%;
- Konsumkreditverträge können innerhalb von 14 Tagen widerrufen und jederzeit vorzeitig zurückbezahlt werden;
- Vor Abschluss eines Konsumkreditvertrags ist eine detaillierte Kreditfähigkeitsprüfung durchzuführen, in welcher neben weiteren Faktoren mindestens der tatsächlich geschuldete Mietzins, die nach Quellensteuertabelle geschuldeten Steuern und die Verpflichtungen berücksichtigt werden müssen, die bei der Informationsstelle für Konsumkredite (IKO) gemeldet sind;
- Konsumkredite und gewisse Ausstände müssen der IKO gemeldet werden.
Viele der Pflichten nach KKG werden direkt der «Schwarmkredit-Vermittlerin», d.h. dem «Crowdlending-Unternehmen» auferlegt. Die Sanktionen treffen denn auch vorab diese: sie können bei Verstössen gegen das KKG mit Busse bis zu CHF 100’000 bestraft werden. Die Kreditgeber (Crowd) verlieren «nur» die Zinsen und Kosten.
Für Crowdlending-Unternehmen bedeutet das, dass sie nun zwar Kredite von mehr als 20 Gläubigern an einen Konsumenten vermitteln dürfen, allerdings müssen künftig alle Konsumkredite aus der Crowd (also auch Kredite von weniger als 20 Gläubigern) den neuen Anforderungen des KKG entsprechen bzw. die entsprechenden Anforderungen eingehalten werden.
Fazit: Ein kleiner Schritt Richtung Deregulierung und ein grosser zurück
Die neu geschaffene «Fintech-Lizenz» baut zwar Hürden für gewisse Fintech-Businessmodelle ab. Angesichts der restriktiven Auslegung werden sich die Anwendungsmöglichkeiten voraussichtlich aber in sehr engen Grenzen halten und vorwiegend in (Kredit-) Vermittlungsmodellen oder (Prepaid-) Zahlungsdienstleistungen bestehen.
Demgegenüber führt die gleichzeitige KKG-Revision zu einer deutlichen Zunahme der Regulation für genau jene Unternehmen, für welche die regulatorischen Hürden im Rahmen der Fintech-Vorlage ja eigentlich hätten gesenkt werden sollen. Die Crowdlending-Unternehmen müssen zukünftig für die Kreditvergabe an Konsumenten, sozusagen stellvertretend für die nicht gewerbsmässig tätigen Kreditgeber aus der Cloud, die Einhaltung der Regeln des KKG sicherstellen.
Ein Schritt zurück droht auch mit der Erläuterung zu Art. 14f BankV. Dort steht am Ende des ersten Absatzes: „Obwohl die getrennte Verwahrung mit sich bringt, dass die Kundengelder nicht mit den eigenen Mitteln vermischt werden, bedeutet dies nicht, dass dadurch ein Aussonderungsrecht der Kundinnen und Kunden im Konkurs einer Person nach Artikel 1b BankG begründet würde.“
Damit wird nicht nur eine Aussonderung nach Art. 242 SchKG in Abrede gestellt, sondern (so ist zu fürchten) a maiore ad minus auch eine Absonderung nach Art. 16 i.V.m. Art. 37d BankG.
So werden aber nicht nur die sich mehrende Gegenargumente aus der Lehre (namentlich auch aus den Reihen der FINMA, vgl. nur Wyss/Reiser, SZW 2018, 164, 173) schlicht ignoriert.
Vielmehr wird der Effekt der neuen Segregationspflicht unterschätzt: Wird die Pflicht ernstgenommen, in einer Verordnung niedergeschrieben und im Rahmen der Revision prudenziell überwacht, dürfen Dritte – d.h. die eventuellen künftigen Massegläubiger einer Person nach Art. 1b BankG – von Beginn weg nicht mehr darauf vertrauen, dereinst ihre Kurrentforderungen auch aus dem Fundus der segregierten Fremd-Vermögenswerte decken zu dürfen. Wenigstens dieses Quäntchen an Schutz ist den Kunden der 1b-Personen für die Zukunft zu wünschen.